Altdeutscher Hütehund – Ein seltener Hundetyp mit vielen Facetten

Beim Altdeutschen Hütehund kann man nicht von einer Rasse sprechen, da die vielen verschiedenen Schläge sich hinsichtlich ihres Aussehens und ihrer Fähigkeiten stark voneinander unterscheiden. Traditionell begleiten sie Schäfer im Feld. Da die Wanderschäferei in Deutschland kaum noch betrieben wird, sind die einzelnen Schläge akut vor dem Aussterben bedroht. Möchtest Du zur Erhaltung des Altdeutschen beitragen?
Besonderheiten
  • Regionale Schläge
  • Vier Farbschläge
  • Leidenschaftliche Arbeitshunde
  • Draufgängerisches Wesen
  • Angeborenes Hüteverhalten

Rasseportrait: Altdeutscher Hütehund

Herkunft Deutschland
Klassifikation Hütehund
Größe Variiert auch innerhalb von Schlägen, 50 – 70 cm im Schnitt
Gewicht Variiert von Hund zu Hund
Körperbau Variiert leicht, manchmal hochläufig, manchmal kurzläufiger. Niemals tonnenförmig oder zwergenhaft.
Augen Unterschiedlich in Form und Farbe
Ohren Hängeohren, Stehohren oder Knickohren
Fell & Farbe Zottelig, Glatthaar oder Rollhaar
Besonderheiten Das Äußere spielt kaum eine Rolle
Charakter Lernwillig, manchmal dickköpfig, aktiv, sanft aber bestimmt beim Hüten
Pflege Pflegeleicht und robust
Gesundheit Kaum Erbkrankheiten bekannt
Zucht Wird von Schäferverbänden betrieben

Wie erkennt man die Typen ohne Rassestandard?

Die verschiedenen Schläge der Altdeutschen Hütehunde unterscheiden sich hinsichtlich Fell, Farbe und Körperbau. Vom Standpunkt der modernen Rassezucht aus betrachtet ist schwer nachzuvollziehen, warum diese sehr unterschiedlichen Hunde als gemeinsame Rasse betrachtet werden. Züchter entscheiden sich bewusst gegen die moderne Rassezucht nach äußerlichen Merkmalen, sondern verlassen sich auf ländliche Schläge. Allgemein handelt es sich um spitzartige Hunde mit mittellangem stehendem Fell, mit Ausnahme von Schafpudel und Strobel, die eher zottiges Fell tragen.

Keine einheitlichen Größen

Die Körpergröße ist für die Zuchtauswahl nicht ausschlaggebend. Auch innerhalb eines Schlages kann die Widerristhöhe stark variieren. Maße zwischen 50 und 70 cm am Widerrist gelten als normal. Wenn Du einen Hütehund-Welpen kaufst, weißt Du also nie genau, wie groß er wird.

Farbenlehre für Altdeutsche Hütehunde

Die Fellfärbung von Altdeutschen kommt schon in der Typbezeichnung vor. Alle regionalen Schläge kommen in verschiedenen Färbungen vor, ein Süddeutscher Schwarzer ähnelt hinsichtlich seines Körperbaus und seines Verhaltens also der Süddeutschen Gelbbacke.

Diese Farben kommen vor

  • Tiger – Aufgehellte und dunkle Farbplatten sind vermischt (ausgelöst durch das Merle-Gen)
  • Fuchs – Rötliches Fell mit aufgehellten Hosen, oft mit schwarzer Maske
  • Wildfarben – Bräunlich-grau gemischte Haare wie beim Wildschwein
  • Schwarzer – Einfarbig schwarz
  • Gelbbacke – Schwarz mit gelbem Brand am Fang, in den Ohrmuscheln, an der Körperunterseite und an den Läufen
  • Weiß – Kommt bei zottigen Typen häufiger vor

Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Schlägen

Süddeutscher Schwarzer, Süddeutsche Gelbbracke, Süddeutscher Tiger

  • Dreickige Hängeohren mit Knick am Ansatz
  • Kurz behaartes Gesicht
  • Keilförmiger Fang

Mitteldeutscher Typ

  • Kommt in allen Farbschlägen vor (Mitteldeutscher Fuchs, Mitteldeutscher Schwarzer usw.
  • Dreieckige Stehohren
  • Gut befederte Rute

Zottelhaarige Typen

  • Schafpudel mit zottigem Haar am Körper und im Gesicht, meist weiß oder grau
  • Der Strobel trägt dunkles Fell mit rauher Struktur

Stumper

Alle Altdeutschen, die ohne Rute oder mit Stummelrute geboren werden, heißen im Fachjargon Stumper.

Kuhhunde

  • Ähneln mitteldeutschen Typen
  • Die Ohren stehen oder sind abgeknickt
  • Westerwälder Kuhhund
  • Siegerländer Kuhhund

Die Geschichte der Altdeutschen Hütehunde – Landschläge statt Rassen

Die altertümliche Art der Zuchtauswahl bei Altdeutschen Hütehunden wurde mehr als 5000 Jahre lang betrieben, bevor die moderne Rassezucht einsetzte, die auf strikten Standards zum Aussehen von Rassen basiert. Das Aussehen der altdeutschen Landschläge spielt bei der Zucht keine Rolle – dementsprechend können innerhalb eines Schlages alle Fellfarben vorkommen, sie können Steh-, Hänge- oder Knickohren haben und sich auch in Größe und Statur unterscheiden. Im Mittelpunkt der Zucht steht nur das Arbeitsverhalten der Tiere, welches sicher vererbt wird.

Rasse und Landschlag – wo liegt der Unterschied?

Landschläge werden auch Primitivrassen genannt und sind quasi die Vorstufe von Rassen nach modernem Verständnis. Sie bilden sich regional im Laufe vieler Hundegenerationen, entweder durch natürliche Auslese wie bei Pariahunden oder durch die regional beschränkte Zuchtauswahl von Tieren, die sich beim Training besonders geschickt anstellen. Bei der Entstehung der altdeutschen Schläge spielte der Trainingsfaktor eine entscheidende Rolle.

Bezeichnungen für altdeutsche Schläge erklärt

  • Regionale Bezeichnungen gehen auf den Ort der Entstehung eines Schlages zurück. Ein Siegerländer Kuhhund, der in Schleswig-Holstein geboren wurde, bleibt also ein Siegerländer.
  • Die Farbbezeichnung bezieht sich auf die tatsächliche Fellfarbe. Ist ein Süddeutscher schwarz, wird er Süddeutscher Schwarzer genannt. Trägt er geflecktes Fell, ist er ein Süddeutscher Tiger.
  • Jeder Schlag ist besonders gut an seine heimatliche Umgebung und die dort anfallenden Aufgaben angepasst. Kuh- und Schafhunde weisen das Vieh bestimmend aber ohne Gewalt zurecht.

Bekannte Schläge in Deutschland

  • Harzer Fuchs (ehemaliger Kuhhund, heute Schafhund)
  • Westerwälder Kuhhund (extrem bedroht, weniger als 100 Exemplare weltweit)
  • Strobel (aus Süddeutschland)
  • Schafpudel (aus Norddeutschland)
  • Rollhaariger Altdeutscher (sehr seltene Fellvariation)
  • Ost-/Mitteldeutsche Gelbbacke

Das Wesen des Altdeutschen – durch und durch ein Hütehund

Das Hüten von großen Herden liegt den Altdeutschen buchstäblich im Blut. Sie bringen von Natur aus viele Eigenschaften mit, die sich beim Führen großer Herden als nützlich erweisen. Wie der Name schon andeutet, arbeiten Kuhhunde traditionell mit Kühen und Schafhunde mit Schafen.

Allgemeine Eigenschaften

  • Können mit großen Herden ab 300 Tieren bestens umgehen
  • Einige Schläge eignen sich auch zum Hüten kleinerer Herden
  • Sie sind arbeitswillig und eigenständig
  • Für ihre Wachsamkeit werden sie sehr geschätzt
  • Sie werden als ehrlich beschrieben, sie zeigen also keine Aggressionen ohne Warnung
  • Ihrem Halter halten sie die Treue und werden bei Gefahr zu fähigen Beschützern

Sind Altdeutsche für Familien geeignet?

Wenn Du einen Hütehund als Familienmitglied anschaffst, gibt es viele Hürden aber auch viele Vorteile. Hütehunde sind intelligent und leicht zu trainieren, brauchen aber unbedingt viel Bewegung und sinnvolle Aufgaben. Als Bürohunde oder Wohnnungshunde in Innenstädten sind sie nicht geeignet. Sie können gut bei Singlehaltern leben, in Haushalten mit Kindern ist eine gute Erziehung notwendig, damit keine Familienmitglieder mit leichten Nacken- und Versenbissen behütet werden.

Erziehung und Haltung – Ein Vierbeiner auf der Suche nach sinnvollen Aufgaben

Am liebsten begleiten die Altdeutschen natürlich aktive Schäfer und Landwirte, die sie beruflich nutzen. Auch andere professionelle Aufgaben für Vierbeiner können sie übernehmen: Sie machen sich gut als Assistenz-, Therapie- oder Rettungshunde. Finden sie keine sinnvollen Aufgaben, suchen sie sich diese als Heranwachsende einfach selbst – im Haus kann das zu unerwünschtem Verhalten führen.

Anzeichen für Unterforderung

  • Häufiges Bellen, nervöses Territorialverhalten
  • Dominanzverhalten
  • Behüten von Artgenossen, Kindern, Fahrrädern und anderen beweglichen Objekten
  • Allgemeine Unruhe

Beschäftigungsmöglichkeiten

  • Professioneller Hundesport
  • Wanderungen
  • Freilauf im Garten (Bewachen des Grundstücks)
  • Assistenzarbeit für Menschen mit körperlichen Einschränkungen

Gesundheit des Altdeutschen – Keine Rasse, keine Erbkrankheiten

Alle für Hunde üblichen Erbkrankheiten kommen mehr oder weniger häufig bei allen Vertretern der Art vor. Da die Altdeutschen Hütehunde aber nicht nach äußerlichen Merkmalen für die Zucht ausgewählt werden, sondern Gesundheit und Arbeitsfähigkeit bis heute absolut im Vordergrund stehen, gibt es keine überdurchschnittlich häufig auftretenden Erbkrankheiten bei altdeutschen Schlägen. Mit guter Pflege werden sie etwa 14 Jahre alt, können vereinzelt aber auch deutlich älter werden.

Ernährung für sportliche Vierbeiner

Die Ernährung sollte an die Körpergröße und an den Bewegungsumfang von Altdeutschen angepasst werden. Wie viel Futter Dein Hund benötigt, hängt davon ab, wie viel er tagsüber leistet. Um die Knochen im Wachstum zu stärken, sollten Welpen nur spezielles nährstoffangereichertes Futter bekommen. Erwachsene Hunde benötigen eine kalorienreiche Ernährung, damit sie fit für viel Bewegung sind.

Haltungsbedingten Schäden und Krankheiten vorbeugen

  • Welpen dürfen nicht überlastet werden, damit Kochen und Gelenke sich normal entwickeln können.
  • Bei Hüte- und Jagdhunden nutzen sich Knochen und Gelenke stärker ab als bei weniger aktiven Rassen. Um Dysplasien und Luxationen vorzubeugen, sollten sie möglichst selten unnatürliche Sprünge und Bewegungen machen.
  • Magendrehungen kommen vorallem bei großen Hunden vor. Die Ursachen sind nicht eindeutig geklärt, doch durch klein portionierte Mahlzeiten und Ruhezeiten nach dem Essen kannst Du Magendrehungen zumindest vorbeugen.

Altdeutsche Hütehund-Welpen vom Züchter kaufen – Aussehen spielt kaum eine Rolle

Bei der Auswahl eines Welpens geht man bei Landschlägen genauso vor wie es bei Rassen sein sollte: Die Welpen werden nicht nach Foto ausgesucht, sondern direkt beim Züchter ausgewählt. Bis vor wenigen Jahren züchteten fast ausschließlich Schäfer und Landwirte Altdeutsche Hütehunde und gaben diese bis auf wenige Ausnahmen nur an andere Schäfer ab. Um die Landschläge zu erhalten, werden inzwischen auch Hobbyhalter zugelassen, die Zucht bleibt bis auf wenige Ausnahmen aber in der Hand von echten Schäfern, deren Zuchthunde sich auf der Weide bewährt haben.

Hier findest Du Welpen verschiedener Schläge

  • Die Arbeitsgemeinschaft zur Zucht Altdeutscher Hütehunde (AAH) stellt Papiere zur Bestätigung der Herkunft der Hunde aus und bietet eine Plattform für die Vermittlung.
  • Auch die GEH (Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V.) widmet sich der Erhaltung der deutschen Hütehundschläge.

Woran erkennt man echte Altdeutsche Hütehunde?

Da sie nicht anhand bestimmter äußerer Merkmale eindeutig zu bestimmen sind, benötigen echte altdeutsche Hütehunde Papiere zur Bestätigung der Herkunft. Diese werden vom Naturschutzamt oder von den oben genannten Clubs zur Erhaltung der Schläge ausgestellt. Der Stammbaum muss klar zurückzuverfolgen sein und sämtliche Zuchthunde müssen sich als Schäferhunde betätigt haben.

Merle-Faktor beachten

Die Färbung Tiger bezeichnet hell und dunkel geschecktes Fell, das durch eine Veränderung des sogenannten Merle-Gens entsteht. Die Merle-Färbung wird rezessiv vererbt. Werden zwei Merle-Hunde miteinander verpaart, erhöht sich das Risiko für Taubheit oder Blindheit bei Welpen erheblich. Deshalb dürfen Tiger nur mit andersfarbigen Altdeutschen verpaart werden.

Fazit: Altdeutsche müssen geschützt werden

  • Viele Schläge stehen kurz vor dem Aussterben. Es gibt außerdem zahlreiche nicht benannte oder außerhalb ihrer Heimatregion in Deutschland nicht bekannte Schläge, deren Bestand unklar ist.
  • Ein Welpenkauf ist beim Altdeutschen ein Überraschungspaket: Manche Individuen sind eher ruhig, andere auch nach der Arbeit noch sehr aktiv. Außerdem lässt sich nur schwer vorhersagen, wie Fell, Größe und Färbung ausfallen werden.
  • Züchter wählen ihre Zuchthunde niemals nach äußeren Merkmalen aus. Zuchthunde sollten sich durch gute Leistung, einen tollen Charakter und Belastbarkeit auszeichnen.

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